Bargaining in the Shadow of Love

In dieser Veranstaltung referierte Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke LL.M (NYU) von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg unter dem Titel „Bargaining in the Shadow of Love“ zum Thema des Scheidungsfolgenrechts und der Vertragsfreiheit im Spiegel der (Verhaltens-)Ökonomik. Er untersuchte darin aus einer rechtsvergleichenden Perspektive die Frage, in welchem Umfang Vereinbarungen über Scheidungsfolgen, die die Ehegatten bei Eingehung der Ehe, während aufrechter Ehe oder im Zusammenhang mit einer Scheidung treffen, von der Rechtsordnung anerkannt werden sollten und aus welchen Gründen ihnen die Anerkennung zu versagen ist. Die methodische Grundlage für seine Untersuchung bildeten die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik (behavioral economics). Hierdurch gelang es ihm, situationsspezifische Rationalitätsdefizite herauszuarbeiten, die zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung führen müssen. Ein Ergebnis seiner Ausführungen war auch die Einsicht, dass § 97 EheG bereits de lege lata mit den Erkenntnissen der Verhaltensökonomik in Einklang steht. Prof. Schmolkes Vortrag war ein gelungenes Beispiel interdisziplinärer Forschung, bei der die Forschungsleistungen der einen Wissenschaftsdisziplin – hier der Verhaltensökonomik – zur Lösung von Fragestellungen einer anderen Disziplin – im konkreten Fall der Rechtwissenschaft – fruchtbar gemacht werden.

Der Vortrag wurde mit einer Podiumsdiskussion (Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-HübnerUniv.-Prof. Dr. Martin SchauerUniv.-Prof. Dr. Martin Halla – Universität Innsbruck) noch weiter vertieft. Hon.-Prof. Dr. Gerhard Hopf hob in seiner Moderation ebenfalls die Sinnhaftigkeit dieses interdisziplinären Forschungsfeldes mit Blick auf das Ganze hervor, da legislative Akte in diesem Bereich oft nur fallbezogen wirken (sollen). Der Ökonom und Vertreter des angesprochenen interdisziplinären Forschungsfeldes Univ.-Prof. Dr. Martin Halla (Universität Innsbruck) verwies insbesondere auf gesicherte Forschungsergebnisse, wonach rechtliche Konsequenzen die Verhandlungspositionen der Partner tatsächlich beeinflussen. Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-Hübner (Universität Linz) bemerkte, dass Rationalisierungsdefizite offenbar noch keine signifikanten Auswirkungen auf die Anzahl der Eheschließungen zeitigen, wie man aufgrund der vorhergehenden These mutmaßen würde. Sie gab anhand des Beispiels des Ehegattenunterhaltsrechts zu bedenken, dass nach österreichischem Recht dem an der Scheidung schuldlosen Ehegatten unabhängig von der Ehedauer ein grundsätzlich lebenslanger Anspruch eingeräumt werde. Damit sei Österreich Schlusslicht in der EU; die meisten Länder hätten sich nämlich unabhängig vom Verschuldensgedanken stärker dem Prinzip der Selbstverantwortung  verschrieben. Auch im Aufteilungsrecht sei das Gesetz sehr vage, was zu einer eher uneinheitlichen und in Einzelfällen nicht ganz nachvollziehbaren Rechtsprechung führte. Im Unterhaltsrecht und bei der Vermögensaufteilung würde man in der Praxis daher mehr Vorausvereinbarungen erwarten, was aber – nicht zuletzt aufgrund der gebührenrechtlichen Situation – eher selten anzutreffen sei.

In Grundzügen übereinstimmend mit den Meinungen am Podium fielen auch die Wortmeldungen und Gesprächsbeiträge des Auditoriums aus. Unter den zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Veranstaltung besteht weitgehender Konsens, dass interdisziplinäre Ansätze und Vernetzungen der Rechtwissenschaften mit anderen Forschungsfeldern, sowohl in der rechtswissenschaftlichen Forschung als auch in der Praxis durchaus gewinnbringend sind. Dabei liegt der Ball aber wieder bei der Legislative: Der Gesetzgeber ist gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen, indem er, speziell im Eherecht, klar Position bezieht.