Eheverträge im europäischen Vergleich

Nachdem die Gesetzgeber der europäischen  Länder – mehr oder weniger flexibel – gezwungenermaßen bloß ein „Standardmodell“ der Ehe normieren können, besteht zunehmend der Bedarf, die vermögensrechtlichen Regelungen durch vertragliche Vorsorge den realen Gegebenheiten (zB sog „Distanzehen“ zwischen TopverdienerIn und unterer Einkommensklasse) anzupassen. Prof. Anatol Dutta lieferte dabei ein interessantes und gut überschaubares Bild der verschiedenen europäischen Rechtsordnungen, die zwar tendenziell konvergieren, aber doch auch gravierende Unterschiede aufweisen. So kennen etwa manche spanische Partikularrechtsordnungen anders als die meisten europäischen Staaten keine Errungenschaftsbeteiligung.

Sind die Güterrechtsregelungen noch weitgehend ähnlich, so ist der Unterhalt sehr unterschiedlich konstruiert. So gibt es zB in Frankreich („prestation compensatoire“) oder in Großbritannien („clean cut“) die Möglichkeit einer einmaligen Zahlung, mit der der gesamte nacheheliche Unterhalt abgegolten wird. In Deutschland besteht seit 2007 ein vermehrtes Bedürfnis nach Unterhaltserhöhungen, gerade als Absicherung für Frauen, die statt Karriere doch die Kinderbetreuung wählen – ein Phänomen, das in Österreich bislang fast gänzlich unbekannt ist, wo doch für gewöhnlich in Eheverträgen eine Unterhaltsminimierung vorgesehen ist.

In welche Richtung die Tendenzen auch gehen, weitgehend unbestritten  ist (in Großbritannien herrscht hierzu noch nicht völlige Rechtsklarheit), dass mittels Ehevertrag in ganz Europa sowohl rechtsverstärkende, als auch rechtsausschließende Wirkungen erzielt werden können. Dies wirft freilich Fragen der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten und, besonders im Bereich des Unterhalts(-verzichts), einer Inhaltskontrolle auf, die von Prof. Dutta ebenfalls mit zahlreichen Beispielen aus den verschiedenen Rechtssprechungen dargestellt wurden – so etwa eine Linie des deutschen Bundesverfassungsgerichts, der ein umfassendes Schutzbedürfnis wegen ungleicher Verhandlungsposition vermutet, wenn der Ehevertrag im zeitlichen Zusammenhang mit einer Schwangerschaft abgeschlossen wird. Generell wird eine Inhaltskontrolle teils direkt angeordnet, teils aus dem allgemeinen Vertragsrecht abgeleitet.

Zuletzt warf Prof. Dutta offene Fragen zu zwei Themenkomplexen auf, nämlich einerseits der Ausstrahlung der Inhaltskontrolle in das Erbrecht (Pflichtteilsverzicht) und andererseits die Situation der Einflussnahme Dritter auf den Ehevertrag, etwa in „dynastischen“ Familienstrukturen.

Im Anschluss wurde noch angeregt über die unterschiedlichen Tendenzen im Unterhaltsrecht, über die Willensfreiheit der Männer, die Väter werden wollen, iZm mit der Rsp des BVerfG zur Nichtigkeit eines Ehevertrags bei einer Schwangerschaft, über die Mechanik zur Anfechtung von Eheverträgen und das Verhältnis von Eheverträgen und Stiftungs-/Trust-Konstellationen diskutiert.

Alexander Meisinger