Podiumsdiskussion Scheidung aus Verschulden – noch zeitgemäß?

Das Podium bildeten Richterin Mag.a Susanne Beck (BG Döbling), Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-Hübner (Universität Linz), Hon.-Prof. Sektionschef Dr. Georg Kathrein (BMJ), Rechtsanwalt Dr. Norbert MarschallUniv.-Prof.in Dr.in Claudia Rudolf (Universität Wien) und Prof. (FH) Dr. Michael Schmitz (Lauder Business School). Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Rechtanwältin Frau Dr.in Elisabeth Scheuba. Auch rechtsvergleichende (Univ.-Prof.in Dr.in Claudia Rudolf) und interdisziplinäre (Prof. (FH) Dr. Michael Schmitz) Aspekte wurden in der Diskussion berücksichtigt.

Auf europäischer Ebene ist Österreich einer der letzten Staaten, in dem noch das Verschuldensprinzip im Scheidungsrecht gilt. Seit mehr als zehn Jahren wird diskutiert, ob es nicht sachgerechter sei, auf das bloße Scheitern der Ehe im Sinne einer tiefgreifenden unheilbaren Zerrüttung abzustellen. Befürworter des Verschuldensprinzips argumentieren mit dem Vertragscharakter der Ehe und insbesondere in Hinblick auf das Scheidungsfolgenrecht mit dem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsempfinden. Gegner des Verschuldensprinzips weisen darauf hin, dass das Scheitern einer Ehe in den allermeisten Fällen durch beide Gatten verursacht wird. Zudem werde durch den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil das zukünftige Gesprächsklima zwischen den Ehegatten nachhaltig beeinträchtigt, was sich nicht zuletzt auf gemeinsame Kinder auswirkt.

Die Podiumsdiskussion eröffnete Frau Mag.a Susanne Beck, Familienrichterin am BG Döbling, mit einem Plädoyer für die Abschaffung des Verschuldensprinzips. Zudem lobte sie die prozessbegleitenden Maßnahmen für Familien, die durch die Kindschaftsrechtsreform 2013 geschaffen wurden, wie die Familiengerichtshilfe oder die Familien- bzw Erziehungsberatung, deren Wirksamkeit jedoch durch das im strittigen Scheidungsprozess festzustellende Verschulden unterlaufen wird. Anschließend führte Rechtsanwalt Dr. Norbert Marschall als Befürworter des Verschuldensprinzips, aus, dass er dem Argument der Gegner des Verschuldensprinzips, ein (überwiegendes) Verschulden könne nur in den wenigsten Fällen konkret einem der beiden Ehegatten zuordnet werden und der Verschuldensausspruch bedürfe eines mühsamen Beweisverfahrens, wenig Gewicht beimesse, da statistisch gesehen ohnehin nur ca 2.000 von 17.000 Scheidungen pro Jahr strittig geschieden werden. Außerdem würde dessen Abschaffung vor allem Ehemännern zugutekommen, da diese fast sechsmal öfter “Träger des Verschuldens“ sind als Frauen.

Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-Hübner nahm aus ihrer Sicht als renommierte Familienrechtlerin Stellung und sprach sich wie Richterin Mag.a Beck für die Abschaffung des Verschuldensprinzips aus. Insbesondere mit Hinblick auf die Auswirkungen auf den Unterhalt hält sie es für geboten, das Verschuldensprinzip zugunsten des Zerrüttungsprinzips aufzugeben. Eine Neuordnung des nachehelichen Unterhalts könne sich am Modell des § 68a EheG orientieren; dabei habe die Bedürftigkeit des Ehegatten unter Berücksichtigung des Prinzips der Selbstverantwortung im Vordergrund zu stehen. Unter Umständen könne es bei Unzumutbarkeit der Unterhaltsleistung zu einer Billigkeitskorrektur kommen. Auch Univ.-Prof.in Dr.in Claudia Rudolf vom Institut für Rechtsvergleichung der Universität Wien attestiert dem Verschuldensprinzip des österreichischen Scheidungsrechts im Vergleich zu den Rechtsordnungen Deutschlands,  der Schweiz, Polens, Spaniens und Maltas eine Reformbedürftigkeit.

Prof. (FH) Dr. Michael Schmitz führte im Wesentlichen aus, dass seiner Erfahrung als Psychologe und Paartherapeut nach die Schuld am Scheitern einer Ehe grundsätzlich immer beide Ehegatten zu mehr oder weniger gleich großen Teilen trifft, weshalb er der Abschaffung des Verschuldensausspruchs viel abgewinnen könnte. Abschließend vertrat Hon.-Prof. Sektionschef Dr. Georg Kathrein des BMJ die Ansicht, dass durch die Preisgabe des Verschuldensprinzips eheliche Pflichtverletzungen sanktionslos blieben, was in Hinblick auf das Gerechtigkeitsempfinden und der – seiner Ansicht nach auch heute noch erforderlichen – Versorgung des rechtlich schützenswerteren Gatten inakzeptabel wäre. Er räumte jedoch ein, dass das Eherecht des ABGB einem veralteten, reformbedürftigen Familienbild folge.

Die Podiumsdiskutant/inn/en waren sich einig, dass das österreichische Scheidungs(folgen)recht reformbedürftig ist. Wie eine etwaige Reform auszusehen hätte, diesbezüglich schieden sich jedoch die Geister. Die große Anzahl der Veranstaltungsbesucher machte deutlich, wie sehr die Verschuldensscheidung die Praxis als auch die Wissenschaft bewegt.

Mag.a Marlene Hofmair