Symposium Lebensgemeinschaften

Im Brennpunkt des Symposiums „Lebensgemeinschaften: Rechtsschutz vs Zwangsbeglückung? – Gemeinsamer Konsens für einen „goldenen“ Mittelweg“ stand eine hochaktuelle Frage: Brauchen nicht eheliche Lebensgemeinschaften ein rechtliches Auffangnetz oder würde eine Verrechtlichung zu einer unerwünschten Überregulierung führen? Das Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Selbstbestimmung und dem Rechtsschutz vor unerwarteten Folgen einer Lebensgemeinschaft beschäftigt immer mehr Experten der rechtswissenschaftlichen Lehre, Rechtsprechung und Praxis. In der Eröffnungsrede des Justizministers, Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter, wurde erkennbar, dass die Thematik auch die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers erlangt hat.

In den Vorträgen spannte sich der Bogen von den vermögensrechtlichen Problempunkten über die vertragliche Gestaltungspraxis hin zu einem Blick über die Ländergrenzen: Frau Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler Hübner wies pointiert auf vermögensrechtliche Probleme hin, die nach der Trennung ans Licht treten können. Bestehen Unterhaltsansprüche? Wie funktioniert die Aufteilung? Anders als das EheG, enthält das allgemeine bürgerliche Recht keine expliziten Regelungen. Dabei sind die Ausweichmaterien, wie Schenkungs- und Bereicherungsrecht oder die Regelungen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht auf die konkrete Situation zugeschnitten. Umso bemerkenswerter war die Feststellung von Notar Dr. Christoph Beer, dass die Möglichkeit zu individueller Vertragsgestaltung in der Praxis kaum in Anspruch genommen werde. Dr. Beer führte dies unter anderem auf ein fehlendes Problembewusstsein in der Gesellschaft und auf gebührenrechtliche Gründe zurück. Vor diesem Hintergrund war die rechtsvergleichende Analyse von Herrn Univ.-Prof. Dr. Matthias Neumayr (Hofrat des OGH) besonders interessant. Während im Großteil der europäischen Rechtsordnungen Regelungen fehlen und – im Gegensatz dazu – ein kleiner Teil eine nahezu ehegleiche Rechtslage vorsieht, bietet der anglophone Bereich (AU, NZ, GB-SCT) eine Kompromisslösung: Dort finden sich Regelungsregime für Lebensgemeinschaften vor, die einzelne Schutzlücken decken sollen und gleichzeitig der Selbstbestimmung der Lebenspartner durch eine „Opt-Out“-Möglichkeit gerecht werden. Auf Grundlage dieses Vergleichs konnte Herr Univ.-Prof. Dr. Neumayr mit vorsichtigen Hinweisen einige Ansätze für mögliche Reformpunkte liefern.

Im Anschluss an die Vorträge präsentierte Frau Univ.-Prof.in Dr.in Astrid Deixler-Hübner und Herr Notariatskandidat Dr. Hannes Schäffer ihr kürzlich im Linde Verlag erschienenes Buch „Partnerschaft ohne Trauschein“ (2014). Die beiden Autoren legten besonderen Wert auf eine Verknüpfung akademischer und praktischer Aspekte und widmen sich dabei ebenso komplizierten wie alltäglichen Fragestellungen, beispielsweise: Wem dürfen Ärzte im Krankheitsfall Auskunft erteilen? Wer erbt nach dem Tod des Partners? Wie sieht die rechtliche Situation mit (gemeinsamen) Kindern aus? Als besonders heikel erwähnten sie die Vorsorge im Fall der Trennung oder beim Tod eines Partners; diese Thematik rückte dann auch am hochkarätig besetzen Podium ins Zentrum der Diskussion:

Moderiert von Frau Dr.in Christine Kary (Die Presse), stellten sich am Podium Frau Univ.-Prof.in Dr.in Constanze Fischer-Czermak, Herr Hon.-Prof. SCh Dr. Georg Kathrein (Leiter der Zivilrechtssektion im BMJ), Herr RA Dr. Norbert Marschall und Herr Notariatskandidat Dr. Hannes Schäffer dieser sensiblen Thematik. Frau Univ.-Prof.in Dr.in Fischer-Czermak wies kritisch darauf hin, dass mit speziellen Regelungen auch unerwünschte Rechtsfolgen auftreten könnten, die viele Lebenspartner gerade nicht wollen; vor allem Partner in jüngeren Jahren denken häufig nicht an Folgen im Erb- oder Vermögensrecht und könnten „zwangsbeglückt“ werden. Sympathie zeigte sie aber für eine punktuelle Regelung von drängenden Schutzlücken. Demgegenüber trat Herr RA Dr. Marschall mit Nachdruck für eine generelle Verrechtlichung der Lebensgemeinschaft nach dem Opt-Out Modell ein. Denn die Praxis zeige, dass viele Lebenspartner glauben, „geschützt“ zu sein und nach der Trennung oder dem Tod eines Partners mit Regelungslücken überrascht werden. Mit Blick auf diese Praxisprobleme deutete auchHerr Dr. Kathrein mit vorsichtiger Zurückhaltung an, dass man schauen müsse, wo Schutzlücken bestehen. Zeigten sich also Kontroversen im Konzept und den Details, so war doch Einigkeit in einem Aspekt erkennbar: Das Podium sah einen Bedarf nach rechtlichem Mindestschutz, insbesondere mit Blick auf die vermögensrechtlichen Folgen der Trennung. Man darf gespannt sein, welches Echo dieser Konsens in der weiteren Diskussion und vor allem auch beim Gesetzgeber erreichen wird!

Mag.a Alrun Cohen